5. Februar 2018 | Das Regierungsprogramm in der Analyse

Presseinformation

Das Regierungsprogramm in der Analyse

Im Zuge einer Veranstaltung der Weisen Wirtschaft und dem Senat der Wirtschaft diskutierten Dr. Helmut Hofer, Arbeitsmarktexperte des Instituts für Höhere Studien (IHS), DDr. Georg W. Kofler LL.M., Professor für Finanz- und Steuerrecht, Johannes Kepler Universität Linz, Mag. Dr. Markus Marterbauer, Abteilungsleiter Wirtschafts-wissenschaft und Statistik, AK Wien, sowie Mag. Peter Brandner, Die Weise Wirtschaft, über das Regierungsprogramm.

v.l.n.r.: Dr. Johannes Linhart (Senat der Wirtschaft), DDr. Georg W. Kofler  LL.M. (Johannes Kepler Universität Linz), Moderatorin Astrid Petermann, Dr. Helmut Hofer (Institut für Höhere Studien – IHS), Mag. Dr. Markus Marterbauer (AK Wien), Mag. Peter Brandner (Die Weise Wirtschaft) Copyright: Die Weise Wirtschaft


Wien: Es war eine interessante Diskussion, die auch entsprechend viele Interessierte anlockte – war man doch gespannt, wie das Regierungsprogramm aus den unterschiedlichen Blickwinkeln der Wissenschaftler bewertet wird. Einig war man sich, dass es derzeit noch zu wenig Substanz gibt, um tatsächlich eine wissenschaftliche Analyse vornehmen zu können. Die kommenden Landtagswahlen verhindern sichtlich klare Ansagen.
Im Steuerbereich ortete Markus Marterbauer keine strukturellen Probleme, er sieht das Budget als saniert an. Die einzige Frage stelle sich für ihn, ob man einen starken Sozialstaat, mit dementsprechend hohen Ausgaben oder aber einen schwachen, mit niedriger Abgabenquote, wolle. Dem widersprach Georg Kofler, der diese Simplifizierung komplexer Zusammenhänge nicht akzeptierte, da durch nationale und internationale Stabilitätspakte und Konvergenzkriterien sehr wohl akuter Handlungsbedarf bestehen würde. Dass es bei niedriger Abgabenquote keinerlei Sozialabbau geben muss, zeige auch die Schweiz, wo die Sozialversicherung großteils privat als Versicherungspflicht organisiert ist. Ob Familienleistungen besser wirken, wenn Sach- anstelle von Geldleistungen erfolgen, wurde ebenso diskutiert. Zum geplanten „Familienbonus plus“ merkte Brandner an, dass eine Einschränkung auf in Österreich lebende Kinder klar europarechtswidrig sei. Marterbauer sah auch aufgrund der guten Konjunktur genug Spielraum, um mehr Investitionen in Ökologie, Energieinfrastruktur, sozialen Wohnbau und Bildungsinfrastruktur vorzunehmen.
In Fragen des Wirtschaftsstandortes und der Entbürokratisierung forderte Helmut Hofer die Regierung auf, die Sozialpartner stärker in die Pflicht zu nehmen, damit diese konkrete Ergebnisse in Hinblick auf eine Flexibilisierung der Arbeitszeiten liefern. Georg Kofler brachte die Thematik einer digitalen Betriebsstätte ein, die auch international diskutiert wird. Dabei ist nicht nur die Frage zu klären, wo sich der „Betriebsstandort“ in einer digitalisierten Welt überhaupt befindet, sondern auch, welchem Staat dann welche Gewinnanteile daraus zuzuordnen sind.
Im Bereich Arbeit wäre, laut Helmut Hofer, ein pragmatisches Vorgehen notwendig. Das Regierungsprogramm nehme kaum Bezug auf die konkrete Ausgestaltung der aktiven Arbeitsmarktpolitik. Man sollte die Arbeitsmarktprogramme auf die Erhöhung der Beschäftigungsfähigkeit der Problemgruppen am Arbeitsmarkt ausrichten.
Evaluationsergebnisse sollten bereits in das Design der Maßnahmen einfließen. Kurzfristige Maßnahmen, noch dazu bei guter Konjunktur, wie die Aktion 20.000, seien nicht nur kostenintensiv, sondern die internationale Evidenz deutet auch nur auf geringe langfristige Integrationswirkungen am ersten Arbeitsmarkt hin. Das sah Markus Marterbauer anders, der in der Einstellung dieses Programms eine weitere Verarmung der Armen sieht. Helmut Hofer fehlt auch ein klares Konzept sowie eine durchdachte arbeitsmarktpolitische Integrationsthematik im Regierungsprogramm. Eine Öffnung des Arbeitsmarktes für hochqualifiziertes Personal aus dem Ausland sollte erfolgen, da sonst der Wirtschaftsstandort Österreich an Wettbewerbsfähigkeit verlieren dürfte. Hier sollte jede Polemik hintangehalten werden.
In Fragen der Pensionen stellte Peter Brandner zwar fest, dass die Reformen aus der Schüsselära noch zwei bis drei Jahrzehnte positiv wirken, allerdings sollte man jetzt schon in aller Ruhe, weitere Weichenstellungen diskutieren und zügig umsetzen, um langfristige Probleme zu vermeiden. Er forderte – wie auch vom Senat im Pensionsplädoyer dargestellt – den Umbau vom leistungs- zu einem beitragsorientierten System.
Festgehalten wurde, dass es eine Reihe von mutigen Ansagen gebe, wie z.B. die Zusammenlegung der Krankenkassen, etc., allerdings könne man noch nicht abschätzen, ob dieser Mut auch dann aufrecht bleibt, wenn der Gegenwind gestartet wird. Da wird man die Regierung schon an ihren Taten messen müssen.
Dr. Johannes Linhart, vom Senat der Wirtschaft, bedankte sich bei den Diskutanten, und hofft, dass die Regierung zumindest nach den Landtagswahlen mehr Konkretes auf den Tisch legen wird. „Wir vom Senat werden uns weiterhin aktiv in die Diskussion einbringen und mit den von uns ausgearbeiteten Umsetzungsideen den politischen Entscheidern, gerade in ökosozialen Themen, Input zu Umsetzungsideen liefern.“
Im Anschluss wurde auch unter den Gästen noch ausgiebig weiterdiskutiert. Gesichtet wurden dabei u.a.:

  • Mag. Peter Biwald, Direktor KDZ Zentrum für Verwaltungsforschung
  • Mag. Anish Gupta, Oesterreichische Kontrollbank
  • Mag. Eva Hauth, Büroleiterin des Fiskalrates
  • a.o. Prof. Dipl.-Ing. Dr. Franz Hof, Institut für Wirtschaftsmathematik, TU Wien
  • Dr. Rudolf Kinsky, Präsident Austrian Private Equity and Venture Capital Organisation
  • Mag. Ernst Krehan, Partner Prime Assets Consulting GmbH
  • Dr. Gerhard Marterbauer, Partner Deloitte Österreich
  • MMag. Dr. Daniel Varro LL.M., Institut für Finanzrecht, Universität Wien

 

Fotonachweis:

  • v.l.n.r.: Dr. Johannes Linhart (Senat der Wirtschaft), DDr. Georg W. Kofler  LL.M. (Johannes Kepler Universität Linz), Moderatorin Astrid Petermann, Dr. Helmut Hofer (Institut für Höhere Studien – IHS), Mag. Dr. Markus Marterbauer (AK Wien), Mag. Peter Brandner (Die Weise Wirtschaft) Copyright: Die Weise Wirtschaft

 

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