Das Transatlantische Freihandelsabkommen, offiziell die „Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft“ (englisch Transatlantic Trade and Investment Partnership, TTIP) zwischen der EU und den USA sowie das Comprehensive Economic and Trade Agreement, kurz CETA (zu Deutsch: Umfassendes Wirtschafts- und Handelsabkommen) als geplantes europäisch-kanadisches Freihandelsabkommen, sind momentan in aller Munde und werden von verschiedensten Interessensgruppen und Medien gezielt zur Stimmungsmache genutzt.

Fachlich relevante Information gibt es angesichts der Geheimhaltung der Verhandlungsinhalte sehr wenig, das Wissen ist in der Bevölkerung und sogar bei politischen Entscheidungsträgern minimal. Die Lager trennen sich in zwei Extreme: in die strikten GegnerInnen und in fanatische BefürworterInnen.

Die Position des SENAT DER WIRTSCHAFT

Der SENAT DER WIRTSCHAFT wird aufgrund der statuarisch festgelegten Ausrichtung in keiner Weise politisch Partei ergreifen. Das ist nicht die Aufgabe des SENAT. Worum es dem SENAT jedoch sehr wohl gehen muss, ist die Wahrung der Interessen der Wirtschaft unseres Landes, insbesondere des Mittelstands, und das vor dem Hintergrund einer fortschreitenden Durchdringung der Gesellschaft mit einem ökosozialen und gemeinwohlorientierten Verantwortungsbewusstsein.

Der SENAT DER WIRTSCHAFT wird im Themenbereich TTIP/CETA als vollkommen überparteiliche Wirtschaftsorganisation die Position des neutralen Vermittlers und die einer Informations-Drehscheibe für die Unternehmerschaft übernehmen. Der SENAT wird informierte EntscheiderInnen beider Seiten zu sachlich orientierten Gesprächen bitten und das daraus generierte Wissen den UnternehmerInnen des Landes zur eigenen Meinungsbildung bereitstellen.

Dabei sollen u.a. Fragen wie

  • Welche Notwendigkeit besteht für derartige Freihandelsabkommen?
  • Wie wird die Wirkung der geplanten Abkommen für den Mittelstand erhoben und dokumentiert?
  • Wie werden die Abkommen verhandelt, wer ist am Verhandlungstisch und wie ist der aktuelle Stand?
  • Welche Rolle spielen dabei die InteressensvertreterInnen des Mittelstand

geklärt und in eine unemotional geführte, auf Fakten beruhende Diskussion eingebracht werden, die praxisrelevanten Wissenzugewinn als oberstes Ziel hat.

Die Werte des SENAT DER WIRTSCHAFT

Freiheit ist einer der Grundwerte des SENAT. Die Freiheit des Geistes, der Menschen und schlussendlich der Güter und Waren, sind eines der Fundamente unserer europäischen Friedensperiode. Freiheit im wirtschaftlichen Bereich – über Europa hinaus – kann eines der Werkzeuge sein, um die Europa prägenden Werte zu „exportieren“ und durch eine immer enger werdende wirtschaftliche und damit auch kulturelle Verschränkung, zu wechselseitigem Verständnis, Achtung und damit zum Frieden beizutragen – und das mit dem wesentlichen Effekt der Sicherung von Wohlstand und Entwicklung für die BürgerInnen auf beiden Seiten.

Transparenz ist ein weiterer Grundwert des SENAT. Alles was im Geheimen, im Verborgenen, hinter verschlossenen Türen gesprochen, beschlossen und vereinbart wird, widerspricht diesem Grundwert, denn es erzeugt Angst und Skepsis. Das führt in weiterer Folge zur Ablehnung, zum Boykott und schlussendlich zur eigenen Lähmung und zum Erstarren. Worüber man nichts erfahren kann, wird vom Menschen aufgrund seiner intrinsischen Funktionsweise abgelehnt. Er hat keine Chance, sich selbst in die Veränderung zu stellen und mit den dabei entstehenden Chancen und Herausforderungen zu interagieren. Wirtschaftliche Entwicklung braucht jedoch Offenheit und den Willen zur laufenden Veränderung.

Die Forderung des SENAT DER WIRTSCHAFT

Gerade bei den aktuellen TTIP und CETA-Diskussionen müssen diese beiden Grundwerte – Freiheit und Transparenz – ins Zentrum der Diskussion gerückt werden. Es geht nicht um Details – es geht um das große Bild, das momentan im Verborgenen ist und daher den BürgerInnen und vor allem den Wirtschaftstreibenden die Möglichkeit nimmt, zu erkennen, worin die Chancen und Herausforderungen solcher Abkommen liegen. Der SENAT fordert daher offene Kommunikation zum Thema und tritt für qualitativen Wissenstransfer abseits der Partikularinteressen und abseits parteipolitischer Befindlichkeiten zum Wohl der Wirtschaft ein.

Einige konkrete und zentrale Fragen des Mittelstands

  1. Wachstum

Unsere Wirtschaft muss wieder wachsen und jede dafür unter ökosozialen Gesichtspunkten geeignete Maßnahme ist begrüßenswert. Auf welcher Basis wurden die Studien erstellt, die allesamt ein BIP-Wachstum durch die Abkommen voraussagen, wenn die Inhalte und Maßnahmen noch nicht definiert sind? Wie wurden zu erwartende Währungsschwankungen, aktuelle und zu erwartende Wirtschaftskrisen sowie die Logistikkosten-Entwicklungen in den Prognosen für die nächsten 10 Jahre berücksichtigt? Wie werden die Auswirkungen nicht nur auf die Gesamtwirtschaft, sondern auf den Mittelstand im Speziellen, dargestellt?

  1. Qualitätsstandards und Auswirkungen auf Lohnniveaus

Qualitätsstandards werden nicht verändert und das ist gut so. Sie werden jedoch wechselseitig akzeptiert. Welche Auswirkungen auf Preise (und in Folge auf Erlöse und damit finanzierbare Löhne) haben die unter schwächeren Schutzbestimmungen in den USA produzierten Waren, wenn diese im EU-Raum angeboten werden können?

  1. Ökologische und gesundheitliche Aspekte

Wie wird das Vorsorgeprinzip der EU, z.B. durch Unbedenklichkeits-Nachweise für US-Produkte im Hinblick auf deren ökologische und gesundheitliche Auswirkungen im Abkommen gewährleistet, wenn derartige Regelungen in den USA aktuell nicht existieren (z.B. für Chemikalien, Pestizide, Kosmetikzusätze etc.)? Welche effektiven Maßnahmen sind im Nachhaltigkeitskapitel des Abkommens verhandelt und was wird dagegen unternommen, dass Konzerne Regierungen verklagen können, wenn sich diese durch Umweltschutzmaßnahmen benachteiligt sehen? Warum wurde bisher kein Sanktionsmechanismus für Umweltsünder verhandelt?

  1. Konsumentenschutz

Wenn die Konsumentenschutz-Grundlagen unverändert bleiben, haben KMUs beim Export in die USA weiterhin – wie bisher – das Risiko hoher Strafkosten im Schadensfall. Die Marktzulassungs- und Zertifizierungskosten für Produkte sind darüber hinaus in den USA extrem hoch. Warum eröffnen die Handelsabkommen den KMUs daher bessere Exportchancen, wenn diese Haupt-Hemmnisse unverändert bleiben?

  1. Investitionsschutz und Zertifizierungen

Die EU will eine internationale Handelsgerichtsbarkeit erreichen. Das ist begrüßenswert. Ist dies im Rahmen der aktuellen Verhandlungen allerdings realistisch, wo doch internationale Standards nicht in Handelsabkommen, sondern z.B. im Rahmen der WTO verhandelt werden und damit über die USA hinaus Gültigkeit haben müssen? Gleiches gilt für die stark divergierenden Zertifizierungen, die im Zuge der Qualitätssicherung einheitlich geregelt sein müssen und wobei es das Ziel der EU sein muss, höhere Standards durchzusetzen, statt niedrigeren Standards Marktzutritt im EU-Raum zu gewähren. Dabei muss bewusst gemacht werden, dass die US-Regierung kein Mandat für Standards und Regelungen zur Produktzulassung im Markt hat.

  1. Sonderbestimmungen

Der Vertragstext von CETA, der fertig ausverhandelt ist, umfasst 1.500 Seiten. Welchen Sinn hat ein Abkommen, wenn 500 Seiten davon nur Ausnahmeregelungen sind, die das Abkommen vollkommen unübersichtlich werden lassen?

  1. Herkunftsbezeichnungen

Werden die 1.300 rechtlich garantierten regionalen Qualitäts-Herkunftsbezeichnungen in der EU auch künftig für die USA bestehen bleiben, da dies für die Produktqualität und die regionale Wirtschaft essentiell ist, d.h. ist gewährleistet, dass „Bordeaux“ wirklich Bordeaux ist, oder werden derartige Qualitätsmerkmale abgeschafft, da dies im USA-Recht nicht verankert ist?

  1. Öffentliche Ausschreibungen

Wie sollen KMUs Zugang zu den Öffentlichen Ausschreibungen in den USA erhalten, wenn 60 % aller Ausschreibungen auf US-Bundesstaaten-Ebene erfolgen, die von TTIP unbeeinflusst sind und 23 Bundesstaaten ausländischen Firmen generell keinen Zugang zu öffentlichen Ausschreibungen gewähren?

  1. Wirtschaftsstruktur-Berücksichtigung

Wie wird verhindert, dass die konzernstrukturierte US-Wirtschaft das Abkommen als Instrument gegen die KMU-strukturierte Wirtschaft im EU-Raum einsetzt, um diesem gezielt zu schaden?

  1. Zeitplan und Ratifizierungen

Wann wird das erste der 24 Kapitel von TTIP fertig verhandelt sein, gibt es einen Zeitplan für die Vorlage eines Erstentwurfs des Abkommens und wie erlangt es dann unter Miteinbeziehung des Mittelstands und der Mitgliedsstaaten auf der Basis des demokratischen Grundprinzips der EU Gültigkeit?

Wien, 1. August 2016

Für den SENAT DER WIRTSCHAFT Österreich

Hans Harrer  – Geschäftsf. Vorstand

Johannes Linhart – GF – Mittelstands-Allianz

Jochen Ressel – GF – Operations, Chefred. „SENATE“

Quellen: Positionen zu TTIP von Prof. Dr. Dr. Dr. h.c. Franz Josef Rademacher, Präsident des SENATE OF ECONOMY International und des SENAT DER WIRTSCHAFT Deutschland e.V. – Woran es bei TTIP hakt und wieviel Freihandel im Freihandelspakt steckt von András Szigetvari, Der Standard-Redaktion Washington – Dokumente der Arbeitsgemeinschaft „KMU gegen TTIP“, Senator Gert Rücker

>>> DOWNLOAD  DES  PLÄDOYERS  ZU  TTIP  UND  CETA